Tauschsysteme: Gelebte Solidarität!?

Motto und inhaltliche Schwerpunkte | Bundes-Arbeitstreffen der Tauschsysteme 2013

Tauschsysteme: Gelebte Solidarität!?

Unter diesem Motto stehen grob zusammengefasst die nachfolgenden fünf Themen.
Sie wurden mit Hilfe einer offenen Fragebogenaktion von ca. Februar bis Ende Mai 2013 auf batt-online.de  entwickelt und dienen als kreative Arbeitsgrundlage und Ausgangpunkt für die Weiterentwicklung.

Tauschringentwicklung – Zukunft
Dieser komplexe Bereich umfasst  Themen wie “gerechte“ Mitgliedsbeiträge, sichere "Finanzierung" des Systems, Aktivierung von Mitgliedern, Nachwuchs-Gewinnung bzw. Mitgliederwerbung aus allen sozialen / gesellschaftlichen Bereichen usw.. Berührt werden immer mal auch andere hochaktuelle Themen wie Zeitbank, Gemeinwohlökonomie (hier auch das politische Schlüsselthema 2013: Gemeinnützigkeit) oder Grundeinkommen.
Z. B. hatte schon Mitte der 90er Jahre so mancher Tauschfan die Idee, Zeiteinheiten für Krankheitsfälle oder das Alter anzusparen. Damals wie heute scheiterte das zuallererst daran, dass jede Organisation, die auch nur Begriffe wie Tauschring, Zeitbank o.Ä. in ihren Prospekten oder der Satzung führt, pauschal nicht als gemeinnützig anerkannt wird. Andere Länder – andere Handhabung:  bis hin zur Etablierung und Verwaltung über z.B. die Gemeindeebene in EU-Staaten oder Einarbeitung in die Staatspolitik reicht da die Bandbreite.
Hier kann –  möglicherweise getragen von gemeinsamer Lobbyarbeit – der Schlüssel liegen, der große Möglichkeiten zur Veränderung der aktuellen wirtschaftlichen Situation unserer Gesellschaft und der unserer Nachbarn auftut.
Regionale Vernetzung ist gut – als engagierter Bürger die großen überregionalen Zusammenhänge und Zeichen der Zeit erkennen kann noch wesentlich besser sein, oder?

Soziale und ökonomische Relevanz
Wie definieren Tauschringe ihren gesellschaftlichen Wert? Wo sehen sie selbst ihren Platz in der Gesellschaft? Liegt ihre Bedeutung eher im sozialen oder im ökonomischen Kontext? Oder sehen sich Tauschsysteme als Mischform, für die es noch keine juristische Grundlage gibt?

Gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein
Tauschringe sind Organisationen, die in der Regel einen äußerst niedrigschwelligen Zugang für potentielle Mitglieder bieten. Sie werten sogenannte Hilfs- und Hausarbeit auf, besonders, wenn sie mit reiner Zeitverrechnung arbeiten.
Durch ihre besondere Form von Angebot und Nachfrage lassen sie einen selbstbestimmten Einstieg ins aktive Tauschen  zu. Für geleistete Arbeit erhält ein Mitglied immer direkte Rückmeldung. Eine Ausbildung für die angebotenen Tätigkeiten ist meist nicht zwingend erforderlich. Soweit jedenfalls die Theorie. Damit könnten Tauschsysteme auch zu einem Grundeinkommen für alle BürgerInnen beitragen, möglicherweise können sie sogar als Pilot voran gehen und den Nachweis erbringen, dass ein solches Grundeinkommen ein belebendes Element ist.

Anders Wirtschaften –> Wertschaften (Fortführung “Solidarische Ökonomie”)
In Tauschsystemen geht es nicht um Wachstum, nicht um Profit. Trotzdem sind sie eine Form des Wirtschaftens. Da es keinen Zins gibt kann es aber dabei nicht um Geldgewinn gehen. Vielmehr geht es um einen gleichberechtigten Austausch von Waren und Dienstleistungen, um nachhaltiges Wirtschaften, Ressourcenschonung und die Erhaltung, manchmal auch Wiederbelebung von moralischen und ethischen Vorstellungen im menschlichen Miteinander des Privatlebens.
Letztlich geht es also um ein anderes Wertesystem – parallel zur Arbeitswelt. Wertschaften statt gewinnmaximierungs-orientiertem Wirtschaften, Ökonomie mit Solidareffekt. Nein, nicht jedes Tauschsystem verfolgt diesen Ansatz in aller Klarheit, doch liegt es im Kern eines jeden einzelnen: Es war und ist Teil der Vision "Tauschsystem" vieler Tauscher. Welche Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung fehlen uns dazu, wie können wir die gesellschafts-politischen Rahmenbedingungen schaffen?

Förderung von Bürgerengagement durch Tauschsysteme – Interessengemeinschaft
Tauschsysteme und ihre Anliegen sind als Idee und Vision auf der gesellschaftlichen und politischen Bühne durchaus wohlwollend betrachtet – so sie denn dort bekannt sind. Es geht dennoch nicht voran und hinkt der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung hinterher.
Bestes Beispiel hier die Steuerpolitik: ab 1997 gilt ein Erlass der Landesfinanzämter, der Tauschsystemen grundsätzlich die Fähigkeit zur Gemeinnützigkeit  abspricht. Finden sich im Regelwerk Begriffe wie Tausch, Tauschsystem oder -ring, Zeitbörse, Talentetausch oder Ähnliches wird anders als bei anderen Vereinen verfahren. Laut Gesetz ist es üblich, zunächst die Satzung zu prüfen. Es gibt eine lange Liste mit Formulierungen, die explizit für eine Gemeinnützigkeit stehen. Spiegelt das die Satzung wieder wird die Organisation vorläufig als gemeinnützig anerkannt. Dies wird per Körperschaftsteuererklärung zusammen mit den Einnahme-Überschuss-Rechnungen, den Protokollen der Mitglieder-versammlungen und den jährlichen Tätigkeitsberichten stets rückwirkend geprüft. Entspricht die tatsächliche Arbeit der vorgelegten Satzung wird weiterhin die Gemeinnützigkeit gewährt. Bei Tauschsystemen wird das ohne jegliche Prüfung negiert. Doch 75 % der Organisationen arbeiten mit Zeitverrechnung. Eine Begünstigung einzelner Mitglieder ist dabei schlecht möglich: Die Summe aller Mitglieder- und Systemkonten ergibt immer Null.
Ihr wichtiger Beitrag zum Gemeinwohl sollte den Tauschsystemen – wie z.B. in Italien – mind. auf kommunaler Ebene einen Anspruch auf Unterstützung mit Sachmitteln sichern, unentgeltliche Nutzung von Büroraumen, Kommunikations- und andere Ressourcen (auch z.B. im Austausch gegen Hilfen in Bürgerhäusern und anderen staatlichen Räumen) sollte selbstverständlich sein und wäre ein Gewinn für jede kommunale Körperschaft. Das sind nur zwei Beispiele.
  Doch wie können wir diese Akzeptanz und Wertschätzung in Gesellschaft und Staat erreichen? Es sind keine Ansprüche, die viel kosten – eigentlich kosten sie nichts, haben aber sicher weitreichende gesellschaftspolitische Auswirkungen.
Ohne solche Veränderungen sind Tauschsysteme oft und fortlaufend in ihrer Entwicklung und Vernetzung gebremst.
Um eine gesamtgesellschaftliche Wirkung zu erzielen und in der Politik ernst genommen zu werden müssen Tausch-systeme eine gut organisierte Lobbyarbeit zur Erhaltung von Rechten aufbauen. Der Grundstein wurde u. a. in Büdingen 2012 gelegt.
2013 ist möglicherweise ein epochales Wahljahr. Die Vergangenheit zeigt, dass besonders in solchen Phasen politische Erfolge leichter zu erreichen sind. Das BATT in Kassel sollte daher einen wirkungsvollen Meilenstein in der Entwicklung und Stärkung einer Interessengemeinschaft der Tauscher auf dem Weg zur rechtlichen, steuerlichen und politischen Gleichstellung mit jedem anerkannten bürgerlichen Engagement bilden.
 

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